Castlevania Legends
1998 kam in Europa mit Castlevania Legends der dritte und letzte Game Boy Ableger der Reihe raus. Das Spiel ging damals unter und hat heute einen eher schlechten Ruf. Kein Wunder, da die Umstände denkbar ungünstig waren.
Im Jahr 1998 gab es noch einen letzten Schub an Modulen für den im Grunde schon toten klassischen Game Boy, bevor er von den Pokémon Spielen nochmal wiederbelebt wurde. Das Super Nintendo lag zu der Zeit bereits in den letzten Zügen, nach seinem Abgesang Harvest Moon und der Wiederauflage diverse Klassiker im Rahmen der Super Classic Serie war die 16-Bit Ära auch in Europa endgültig vorbei. Die Videospielwelt richtete den Blick inzwischen auf Meilensteine wie The Legend of Zelda: Ocarina of Time und Resident Evil 2. Castlevania Fans hatten derweil mit Symphony of the Night ein kaum zu überbietendes 2D Spiel für die PlayStation bekommen.
Und in genau dieser Situation erschien Castlevania Legends. Es hätte also kaum noch später zur Party kommen können. Als Legends veröffentlicht wurde, war die Musik schon aus, das Licht wieder an, und in der Snackschale lagen nur noch ein paar von diesen langweiligen Mini-Salzstangen, die kein Mensch essen will. Ein monochromer 8-Bit Action-Plattformer war zu der Zeit vermutlich so ziemlich das letzte, worauf die Leute Bock hatten. Castlevania Legends hatte ich damals selbst in Videospielzeitschriften verfolgt, aber für einen Kauf hatte mein Interesse leider nicht gereicht.
War Castlevania Legends vielleicht einfach das richtige Spiel zur falschen Zeit, oder wurde es zurecht aufgrund von mangelnder Qualität ignoriert? Tatsächlich ist Legends weit entfernt von einem Totalausfall. Es ist ein solider Action-Plattformer mit netten Sprites, eingängiger Musik, und sauberer Steuerung. Gut, aber auch kein Beispiel dafür, wie in späten Spielen für eine Hardware nochmal alles technisch und kreativ mögliche herausgeholt wird. Im Gegenteil, Legends ist in allen Belangen sogar noch einen Tick schwächer als das ganze sechs Jahre vorher erschienene Castlevania II: Belmont’s Revenge.
Dafür sticht Legends zumindest in Teilen durch eine eigene Identität hervor. Protagonistin Sonia Belmont steht auf dem Cover Artwork im Fokus und wird im Spiel öfter mit Portraits präsentiert. Damit ist sie prominenter als der austauschbare Muskelprotz und generische Sprite der ersten beiden Spiele. Die Handlung von Legends sollte ursprünglich eine besondere Stellung in der Chronologie bekommen und den Beginn des Belmont Klans markieren. Das wäre vor allem spannend gewesen, da Draculas Sohn Alucard im Spiel als Sonias Liebhaber auftritt, was der Belmont Familie wiederum einen teilweise vampirischen Ursprung verpasst hätte. Das würde für mich deren Kräfte auch wesentlich besser erklären als die Existenz bestimmter Gene, die es Menschen ermöglicht, eine alte Peitsche zu benutzen. Leider schmissen die Lustfeinde von Konami Legends später aus dem offiziellen Castlevania Kanon.
Beim Gameplay macht das Spiel auch sein eigenes Ding. Erkundung spielt hier eine größere Rolle als in den vorigen Teilen: Auf alternativen Pfaden gibt es Gegenstände, sammelbare Relikte und leider auch mit Gegnern verseuchte Fallen zu entdecken. Die klassischen Sekundärwaffen weichen Zaubersprüchen, von denen jeweils einer nach jedem Level automatisch erlernt wird. Leider schaffe ich es immer, nur so wenig Herzen übrig zu haben, dass ich die Waffen kaum zum Einsatz bringen kann. Sie werden ohnehin nur an wenigen Stellen benötigt. Einmal pro Level kann Sonia durch gleichzeitiges Drücken vom A- und B-Knopf für eine begrenzte Zeit in eine Art Super Modus wechseln, in der sie unverwundbar und schneller ist. Eine tolle Fähigkeit, die leider in keinem anderen klassischen Castlevania auftauchte.
Von den bisher erwähnten eigenständigen Elementen abgesehen ist Castlevania Legends leider nicht besonders erinnerungswürdig. Wenn ich an Belmont’s Revenge denke, fallen mir gleich die verschieden gestalteten Burgen wie das Crystal Castle und witzige Mechaniken wie die Höhle ein, die sich beim Zerschlagen der Kerzen tatsächlich verdunkelt. Selbst das geächtete Castlevania Adventure hat seine diabolischen Glanzmomente, wie die Augen, die beim Ableben Teile der Hängebrücke unter sich mitreißen, oder die höllische dritte Stage mit ihrer verfolgenden Stachelwand.
Castlevania Legends besteht dagegen aus einer endlosen und ermüdenden Anreihung von Gegnern, Kerzen, Seilen und Gängen in viel zu langen Leveln, alles an den bekannten Schauplätzen. Es fehlt irgendwie das Besondere, etwas, das mich immer wieder in das Spiel reinzieht. Nicht einmal der Soundtrack bleibt richtig hängen, nachdem der in den vorigen beiden Spielen so fantastisch war. Auch wenn das Spiel eigentlich nicht wirklich schlecht ist, musste ich mich selbst auf dem einfachen Schwierigkeitsgrad immer etwas zwingen, Legends wieder anzuwerfen und mich weiter voran zu arbeiten. Die Motivation, den letzten Endboss ohne Savestates zu besiegen, das Spiel auf normal durchzuspielen, oder die fünf versteckten Relikte zu suchen, hatte ich dann auch gar nicht mehr.
Da krame ich doch lieber die ersten beiden Game Boy Teile hervor. Selbst Adventure, obwohl in vielen Aspekten wesentlich schwächer als Legends, ist mir heute eher eine erneute Runde wert. Um die drei Spiele mal in einer Getränke-Analogie miteinander zu vergleichen: Belmont’s Revenge ist wie ein hervorragender Wein, der vielleicht einen etwas bitteren Nachgang hat, Castlevania Adventure wie Strohrum, der zwar eigentlich ungenießbar ist, aber dennoch ganz gut ballern kann, und Castlevania Legends ist das sprudelnde Mineralwasser, nicht unsexy, aber auch nicht besonders aufregend, und auf Dauer etwas dröge.
Trotz einer gewissen Kompetenz und durchaus vorhandenem Charme ist Castlevania Legends für mich der schwächste Teil der Game Boy Trilogie. Allgemein frage ich mich auch, warum das Spiel überhaupt noch entwickelt worden ist. Es wirkt so, als sollte das Game Boy Toolset noch ein letztes Mal genutzt werden, um vielleicht noch mal mit wenig Einsatz etwas zusammenzuschustern, das irgendwie auf der Symphony of the Night Welle reiten kann? Es hat jedenfalls kein Hahn danach gekräht, und auch heute lohnt sich das Nachholen nur bedingt. Zumal allein das Modul inzwischen um die 50 Euro kostet und das Spiel nie wieder neu aufgelegt worden ist.