Sea of Stars
Seit Jahren versprechen mir diverse Indie-Studios und Abteilungen bei Square Enix ein Spiel im Stil von 16-Bit JRPG Klassikern wie Chrono Trigger oder Final Fantasy VI, aber es musste erst das Studio hinter dem von Ninja Gaiden inspirierten Metroidvania The Messenger ran, um dieses Versprechen endlich einzulösen.
Sea of Stars versetzt mich wie in den guten alten Zeiten in die Rolle von ein paar wagemutigen Jünglingen, die zusammen in eine fantastische Welt hinausziehen, Abenteuer erleben, Freundschaften schließen, und nebenbei natürlich noch die Welt vor dem Untergang retten. Die Geschichte ist ähnlich wie früher eher simpel gestrickt, und hat auch einige überraschende Wendungen und emotionale Momente parat.
Das ganze Format mit seiner dreiköpfigen Party, mit der die jederzeit sichtbaren Gegner an Ort und Stelle menübasiert mit Komboangriffen vermöbelt werden, erinnern stark an Chrono Trigger. Ähnlich wie die gepixelte Draufsicht und der heimelige Soundtrack (zu dem Yasunori Mitsuda sogar einige Stücke beigesteuert hat).
Die Präsentation bleibt der 16-Bit Zeit stilistisch treu, holt mit seinem enormen und liebevollen Detailgrad und dem dynamischen Beleuchtungssystem samt Tag/Nacht-Wechsel aber so ziemlich das Maximum aus dem 2D Pixel-Stil heraus und bleibt durchgehend eine Augenweide.
Vom Super Mario RPG werden indes getimte Aktionen übernommen, die mit dem nötigen Geschick kleinere Vorteile in den Kämpfen bringen. Eine Neuerung ist das Schloss-System, bei der starke gegnerische Attacken durch die richtige Sequenz an Angriffen unterbrochen werden können.
Insgesamt eine gute Mischung aus Alt und Neu, nur für meinen Geschmack waren die Kämpfe tendenziell zu sehr auf Messers Schneide balanciert und damit oft schwerer und länger, als mir lieb ist. Zum Glück gibt es ein System mit ausrüstbaren Relikten, die neben diversen Funktionen auch die Herausforderung in den Kämpfen beeinflussen können, womit ich mir die Balance schnell so umstellen konnte, damit sie für mich noch angenehm fordernd, aber nicht frustrierend war.
Eine große Stärke von Sea of Stars ist sein vorbildliches Pacing. Story und Dialoge, Erkundung, Rätsel, und (die richtigen Relikte vorausgesetzt) Kämpfe verweilen nie länger als nötig, wovon sich so ziemlich jedes moderne (Retro-)Rollenspiel aus Japan eine dicke Scheibe abschneiden sollte. Mit um die 40 Stunden Gesamtspielzeit liefert das Spiel auch ordentlich Inhalt, ohne in die leider inzwischen genre-typische Überlänge abzudriften.
Im Gegensatz zu anderen Tributen an die guten alten Zeiten weiß Sea of Stars zum Glück, welche Elemente von damals heute getrost weggelassen werden können: Zufallskämpfe gibt es nicht. Die erhaltenen Erfahrungspunkte sind so eingepegelt, dass Grinding nicht nötig ist. Partymitglieder lassen sich jederzeit im Kampf einwechseln und bekommen auch auf der Ersatzbank noch genauso viel Erfahrungspunkte wie der Rest. Und wir müssen hier auch keine Fackeln entzünden, um das Innere von Höhlen zu beleuchten.
Sea of Stars bleibt dabei eigenständig genug, um nicht nur als bloße Hommage ohne Identität zu enden. Mit seinem eigenwilligen Humor, interdimensionalen Einschlag und eingestreuten H.P. Lovecraft Vibes ist das Spiel durchaus sein eigenes Ding, das auch ohne nostalgischen Bezug funktionieren kann und damit auch einen guten Einstieg für JRPG-Neulinge bietet.
Ich fand Sea of Stars sowohl als Retro-Hommage als auch als neues Rollenspiel fantastisch und habe so gut wie jede Minute genossen. Vor allem bot es mir eine Sache, die ich immer seltener in neueren Spielen empfinde:
Das Gefühl, zuhause zu sein.
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