The Legend of Zelda: Link's Awakening
Die Nintendo Direct vom Februar 2019 hatte ich ausnahmsweise live, aber mit dem üblichen gedämpften Interesse verfolgt. Bis zum Schluss fast beiläufig angekündigt wurde, dass ein Switch-Remake von Link’s fucking Awakening in der Mache ist.
Wir spulen ein gutes Vierteljahrhundert zurück ins Jahr 1993: Der erfolgreichste Handheld von Nintendo ist zu dieser Zeit der Game Boy, betrieben mit einem 8-Bit Prozessor, ausgestattet mit einem Display, das vier Grünschattierungen darstellen kann, und Audio-Hardware, die dudelige Chiptunes von sich gibt. Die technisch einfach gestrickte Plattform hält Nintendo allerdings nicht davon ab, dafür ein neues Zelda Spiel zu veröffentlichen. Und nicht irgendein Zelda Spiel: Bei vielen Serienkennern zählt Link’s Awakening zu dem Besten, was die Reihe je hervorgebracht hat. Bei einigen gilt es gar als das beste Zelda überhaupt.
In Links erstem portablen Abenteuer verschlägt es ihn nach einem Schiffbruch auf die mysteriöse Insel Cocolint, wo ihn ein Mädchen namens Marin findet, die Prinzessin Zelda zum Verwechseln ähnlich sieht. Bald erfährt Link von einem sprechenden Uhu, dass er die Insel nur verlassen kann, wenn ein Wesen namens Windfisch aus seinem Schlummer erwacht. Um ihn zu wecken, müssen fortan die acht Instrumente der Sirenen gefunden werden.
Die Reise zur Erweckung des Windfischs ist angenehm entschlackt, was wir vermutlich auch den Hardware-Beschränkungen zu verdanken haben. Die acht Verliese sind überschaubar, aber dennoch spannend. Dazwischen müssen auf der Insel Cocolint allerhand Aufgaben bewältigt werden, doch auch das geht meist zügig voran, da die Spielwelt ziemlich kompakt ist. Dadurch hat Link’s Awakening mit das beste Pacing der gesamten Reihe. Auch wenn ich das größere Super Nintendo Abenteuer A Link to the Past liebe, so hatte ich bisher nur einmal die Ausdauer, die über ein Dutzend Dungeons und zwei Spielwelten bis zum Abspann durchzumarschieren. Vergleiche mit dem aus meiner Sicht immer schlimmer werdenden Pacing der richtigen 3D-Teile fange ich am besten gar nicht erst an. Trotz der würzigen Kürze vermittelt Link’s Awakening das Gefühl, eine lange Reise hinter sich zu haben. Wer ein richtiges Epos sucht ist dennoch besser bei den anderen Konsolenteilen bedient.
Natürlich ist das Pacing nicht der einzige Aspekt, der Link’s Awakening zu etwas Besonderem macht. Das Spiel, das weitestgehend abseits der zentralen Geschehnisse um Hyrule stattfindet, nimmt sich einige Freiheiten, die zu einer einzigartigen Atmosphäre führen. Unter dem Einfluss der Mystery-Serie Twin Peaks wurden einige skurille Elemente eingebaut. Vor allem viele der Inselbewohner sind herrlich merkwürdig: Etwa die Kinder, die Hinweise zur Steuerung geben und eigentlich gar nicht wissen, wovon sie da reden, der Familienvater, der vorhersagt, dass er sich später im Gebirge verirren wird, oder Marins Vater Tarin, der sich auf der Suche nach Pilzen in den Wald begibt und aus unerfindlichen Gründen in einen Waschbär verwandelt wird. Auch witzig sind die zahlreichen Anspielungen auf andere Nintendo Spiele: Eine zum Weiterkommen notwendige Reihe an Tauschgeschäften beginnt mit einer Yoshi-Puppe, in das zweite Verlies kommt man nur, indem man sich einen Kettenhund ausborgt, und in den seitwärts scrollenden Untergrundpassagen trifft man auf Mario Fieslinge wie Goombas. Als Kontrast zu diesen Absurditäten wiegt die unterschwellige Düsternis der Geschichte, bei der schon früh ersichtlich wird, dass sie ein trauriges Ende nehmen wird.
Das Switch Remake präsentiert Links klassisches Abenteuer in einer absolut putzigen Optik, die Cocolint und seine freundlichen und feindlichen Einwohner wie Spielsachen aussehen lässt. Gerade die menschlichen Charaktere sehen aus wie Playmobilfiguren. Umgebungsobjekte wie Bäume oder Felsen haben einen leichten Plastikschimmer, wirken aber dennoch organisch. Die Hintergründe erinnern an Dioramen. Besonders schön sind die leuchtenden Wasserkörper. Vor allem das Sumpfgebiet sieht im Remake einfach umwerfend aus. Auch wenn der Grafikstil nicht das ist, was viele vorher erwartet hätten, ist er am Ende doch innovativ und gelungen. Lediglich die Untergrundpassagen in der Seitenansicht machen in der neuen Optik nicht so viel her.
Neu ist, dass die Welt außerhalb von Verliesen nicht mehr wie im Original strikt in einzelne Bildschirme unterteilt, sondern fließend verbunden ist. Das hat auch einige schöne Effekte, wenn man etwa von der hellen Steppe in den düsteren Zauberwald oder die sengende Hitze der Durstwüste schreitet und sich von einem Moment auf den anderen die komplette Lichtstimmung ändert. Die alte Einteilung wirkt sich allerdings noch auf die Wiederkehr einiger Elemente wie abgehackte Grasbüschel aus. So kann man auch im Remake munter die große Graswiese im Möwendorf abernten um an Rubine zu gelangen, auch wenn das Verhalten nicht mehr so nachvollziehbar erscheint wie im Original.
Leider haben die Entwickler keine effiziente Lösung dafür gefunden, beim Übergang die Ladezeiten in den Griff zu kriegen, weshalb in diesen Situationen die Framerate spürbar einbricht, obwohl die Grafik nicht unbedingt aufwändig gestaltet ist. In den Verliesen, die weiterhin auf abgegrenzten Räumen basieren, passiert das zum Glück seltener. Es bleibt dennoch unverständlich, wieso Nintendo das Remake in einem Zustand veröffentlicht hat, das in Sachen konsistenter Performanz nicht mal an das alte Game Boy Original heranreicht.
Der neu arrangierte Soundtrack schafft einen gelungenen Spagat zwischen den minimalistischen Chiptunes der Ursprungsfassung und der opulenten Orchestrierung neuerer Zelda Teile, die für die originalen Musikstücke vermutlich zu viel gewesen wäre. Meist kommen daher reduzierte Ensembles zum Einsatz, etwa beim Oberwelt Thema, das von einigen Streichern gespielt wird. Besonders schön ist die neue Version der Begleitung des Maskentempels, in der satte Synthesizer auf die Chiptune-Melodie des Originals treffen. Neben der Musik wurde auch die Sprachausgabe den moderneren Serienvertretern angepasst. Richtig spricht natürlich niemand: Dorfbewohner geben beim Ansprechen einen kurzen Laut von sich, und Teenie Link schreit, wenn er in einen Abgrund fällt. Ehrlich gesagt gefielen mir die Zelda Spiele besser, als noch alle stumm waren. Aber das würde wohl nicht zur aktualisierten Optik passen. Allerdings wäre mir dann eine richtige Sprachausgabe lieber gewesen. Diese auf einzelne Laute zu beschränken ist für mich immer noch ein technisch bedingtes Relikt aus Nintendo 64 Zeiten, von dem man sich mittlerweile besser verabschiedet hätte.
Frame-Einbrüche und ein plärrender Held sind jetzt natürlich noch kein Weltuntergang, sorgen nur leider dafür, dass Link’s Awakening am Ende nicht die technisch perfekte Version des Klassikers darstellt, die man aufgrund der moderneren Hardware erwarten konnte. Immerhin muss sich das Steuerungsschema nicht wie im Original auf zwei Aktionstasten beschränken. Ständig ins Menü zu wechseln, um andere Gegenstände auf die Knöpfe zu legen, war einer der wenigen nervigen Aspekte der Game Boy Fassung. Auf der Switch haben Schwert, Schild, Pegasusstiefel und Kraftarmband jetzt fest zugewiesene Tasten, sodass die entsprechenden Aktionen jederzeit verfügbar sind. Ebenfalls angenehm ist die aufpolierte Karte von Cocolint und den Verliesen, bei der man überall hineinzoomen sowie verschiedene Marker setzen kann, um sich Orte zu merken, die für später interessant sein könnten.
Inhaltlich bietet das Remake die gleiche Kampagne wie das Originalspiel, inklusive des Bonusdungeons, der in der Game Boy Color Fassung Link’s Awakening DX enthalten war, erweitert diese aber mit diversen Elementen. Die größte Neuerung ist der Dungeon-Baukasten, der von Totengräber Boris bereitgehalten wird. Das Feature erlaubt das Zusammenbauen eigener Verliese aus vorhandenen Räumen, die Link auch selbst bestreiten darf. Die Funktionsweise wird über verschiedene Missionen vermittelt, nach deren Erfüllung Belohnungen winken. Die Auswahl an Räumen wird durch Kammersteine erweitert, die etwa beim Abschluss von Dungeons, als überteuerte Ware im Laden oder zusätzliche Belohnung von bestehenden Minispielen wie dem Angelteich eingesammelt werden können.
Auch wenn das Ganze eine nette Idee ist, konnte mich das Bauen und Bestreiten von frankensteinartig zusammengehefteten Verliesen, an deren Ende immer ein Boss aus der Kampagne besiegt werden musste, nicht lange fesseln. Dazu muss ich allerdings sagen, dass sich meine Leidenschaft für Kreativbaukästen auch in Grenzen hält. Doch selbst für diejenigen mit einer Passion fürs Level Design gibt das Feature nicht viel her: Die eigenen Kreationen können nur auf bestimmten amiibos gespeichert und damit Freunden übertragen werden. Eine Möglichkeit, Dungeons online zu teilen gibt es erstaunlicherweise nicht, obwohl eine vergleichbare Infrastruktur für Super Mario Maker 2 existiert. Insgesamt wirkt das Feature daher leider nicht wirklich zu Ende gedacht und ist definitiv kein großer Anreiz, sich das Remake zu besorgen.
Ebenfalls neu sind die aus anderen Teilen bekannten Gläser, von denen nun drei Exemplare auch in Link’s Awakening gefunden und zum Verstauen von Feen genutzt werden können. Zudem wurde die Muschelsuche aus dem Original erweitert, bei der Link auf Cocolint verstreute Zaubermuscheln sammeln und gegen Belohnungen eintauschen konnte. Damals gab es 26 Muscheln zu finden, wobei es für 20 Exemplare bereits ein mächtiges Schwert als finale Belohnung gab, während die anderen nur als Puffer dienten, falls welche übersehen wurden. Im Remake wurde die Anzahl auf 50 erhöht, wodurch man länger mit der Suche beschäftigt sein wird. Ärgerlicherweise gibt es diesmal keine Extramuscheln. Ich habe auf meinem Spielstand genau 49 und keine Chance, die letzte zu finden, da ich bei allen Fundorten schwören könnte, ich wäre bereits dort gewesen. Immerhin gibt es das Schwert schon für 40 Muscheln.
Dank neuer Grafik, verbesserter Steuerung, Komfort Features und inhaltlichen Erweiterungen ist das Link’s Awakening Remake eine schöne Neuauflage des Klassikers, wenn man über die unverständlich inkonsistente Performanz hinwegsehen kann. Am Ende steht bei solchen Remakes natürlich die Frage, ob es überhaupt nötig war, das Originalspiel nochmal zu entwickeln. Das ist sonst immer eine gute Gelegenheit, Macken oder schlecht gealterte Elemente auszumerzen und an moderne Gewohnheiten anzugleichen. Allerdings gibt es in dieser Hinsicht bei Link’s Awakening nichts zu tun: Für mich zählt der Titel zu den wenigen Spielen, die ich als nahezu makellos empfinde, was ich dem Remake insgesamt betrachtet nicht attestieren würde. Selbst die 8-Bit Grafik, je nach Version schwarzweiß oder bunt, ist eigentlich noch salonfähig, wie zahlreiche Indieproduktionen beweisen.
Aus künstlerischer Perspektive gibt es also keinen zwingenden Grund für das Link’s Awakening Remake. Dass es trotzdem gemacht wurde ist dennoch eine gute Sache. Es bietet einer jüngeren Generation, die heute vielleicht nicht mehr bis zur Game Boy Ära zurückgehen möchte, die Möglichkeit, eins von Nintendos besten Spielen nachzuholen. Auch für Fans des Originals hat das Remake seinen Reiz. Das alte Game Boy Modul ist zwar immer noch fantastisch, wird beim wiederholten Durchspielen allerdings auch nichts Neues mehr bieten. Das Remake ist da eine schöne Gelegenheit, ganz neue Facetten bei der Reise durch Cocolint zu entdecken. Das komfortablere Steuerungsschema und die zoombaren Landkarten mit Pinfunktion würde ich auch nicht mehr missen wollen.
Zumindest für mich kommt ein weiterer Aspekt dazu: Die Zelda-Reihe war für mich nie mehr so überragend wie in der ersten Hälfte der 90er. Da freue ich mich umso mehr, wenn Klassiker wie A Link to the Past oder Link’s Awakening einen spirituellen Nachfolger oder ein Remake bekommen. Und vielleicht führen solche Entwicklungen auch irgendwann zu einem komplett eigenständigen Legend of Zelda, das für mich den Zauber vergangener Tage wieder einfangen kann.